Rede des Stellvertretenden Vorsitzenden der Gemeindevertretung Kai Gerfelder zur Verleihung des Ehrenbürgerrechts an Dieter Jahn, Bürgerhaus Zellhausen, 19.12.2023
Sehr geehrter Herr Landtagsvizepräsident Lortz,
sehr geehrter Herr Kreistagsvorsitzender Horn,
sehr geehrter Herr Dr. Rauber,
werte Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Gäste,
die Gemeindevertretung der Gemeinde Mainhausen hat am 26. September einstimmig beschlossen ihrem Vorsitzenden Dieter Jahn das Ehrenbürgerrecht nach § 28 (1) der Hessischen Gemeindeordnung zu verleihen. In der Geschichte unserer inzwischen 47 Jahre alten Gemeinde ist dies ein ganz besonderer Vorgang, denn bisher war lediglich Karl Steil – dessen Neffen Robert ich an der Stelle ganz besonders begrüßen darf – mit der Würde eines Ehrenbürgers versehen. An die Verleihung des Ehrenbürgerrechtes sind nach der Hessischen Kommunalverfassung hohe Kriterien angelegt. Laut HGO-Kommentar handelt es sich „um die höchste Auszeichnung, die eine Gemeinde zu vergeben hat. (…) Um die Ehrung nicht zu entwerten, sollte ein strenger Maßstab angelegt werden.“
Es wäre nun ein Leichtes, die Verdienste von Dieter Jahn an Hand des ehrenamtlichen - vorrangig politischen - Lebenslaufes zu begründen. Nur liegen mir insgesamt sechs DIN A4-Seiten mit Zahlen, Daten und Fakten vor, die das Wirken von Dieter Jahn in den verschiedensten Gremien der kommunalen Selbstverwaltung und darüber hinaus zu dokumentieren. Es geht bei der Verleihung dieses Titels aber weniger um technische Daten, schließlich wird heute ein Mensch ausgezeichnet und nicht eine Maschine bewertet - auch wenn die politische Laufleistung von Dieter Jahn schon derer, eines Mercedes E-Klasse-Diesels gleicht. Ich werde mich gleich aber auf einige prägnante Jahreszahlen beschränken.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
getrieben von politischem Interesse ist Dieter Jahn im Jahr 1963 im Alter von 18 Jahren der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands beigetreten. Dem vorangegangen waren Besuche der Gemeindevertretersitzungen Anfang der sechziger Jahre gemeinsam mit seinem Freund Werner Klein, der heute auch hier anwesend ist.
Diese Besuche hat er mir mal mit den Worten geschildert: „Weißt Du Kai, als wir junge Männer wurden, bin ich mit meinem Freund Werner zu den Sitzungen der Gemeindevertretung in Mainflingen gegangen. Da haben sich die Politiker vom Ort getroffen und beraten. Eigentlich haben wir überhaupt nicht richtig kapiert, worum es geht. Aber wir hatten das Gefühl, dass es wichtig ist.“
Letztlich veranlasste ihn die Ausbildung im Landratsamt des Kreises Offenbach und der dortige Kontakt zu zahlreichen prägenden Persönlichkeiten der Hessischen Sozialdemokratie, unter anderem den späteren Hessischen Sozialminister Dr. Horst Schmidt, zu diesem Schritt.
Hinter ihm lag zu diesem Zeitpunkt aber eine schwierige Zeit als Halbwaise im Nachkriegsdeutschland. Gemeinsam mit seiner Mutter hat Dieter Jahn - dessen Vater in Rumänien vermisst wird – sich unter zahlreichen Entbehrungen und gleichzeitig angewiesen auf den sozialen Zusammenhalt und die kleinteilige Solidarität seiner Heimatgemeinde Mainflingen, durchschlagen müssen. Beim Kreis Offenbach legte Dieter Jahn alsdann ausgestattet mit der mittleren Reife eine Karriere hin, die eigentlich nur Akademikern vorbehalten ist und mit der Leitung des Hauptamtes als Leitender Verwaltungsdirektor endete. Wir werden dazu am heutigen Abend noch ein paar Worte vernehmen.
Wahrscheinlich ist der Schritt in die Kommunalpolitik vor diesem Hintergrund nur logische Konsequenz. Im Jahr 1972 - also vor 51 Jahren - wurde Dieter Jahn erstmalig in die Gemeindevertretung der Gemeinde Mainflingen gewählt. Zum damaligen Zeitpunkt hatten zehn der heute amtierenden Gemeindevertreter - meine Person inklusive - noch nicht das Licht der Welt erblickt. Von einem war noch nicht einmal der Vater geboren. Seit dieser Zeit hat er fünf Bürgermeister und einen Ersten Beigeordneten an der Spitze der Verwaltung erlebt.
Mit einer kurzen Unterbrechung ist Dieter Jahn nunmehr seit etwa 44 Jahren Gemeindevertreter. Im Jahr 1974 wurde Dieter Jahn zum Vorsitzenden der Gemeindevertretung der Gemeinde Mainflingen gewählt. Danach nahm Dieter Jahn als Staatsbeauftragter Vorsitzender das Amt für die neu geschaffene Gemeinde Mainhausen wahr, um schließlich als gewählter Vorsitzender die Funktion bis 1981 zu erfüllen.
Oftmals wird der Vorsitzende der Gemeindevertretung auch als so genannter „Erster Bürger“ bezeichnet, da er qua Amt die Einwohnerschaft einer Kommune ehrenamtlich an der Spitze des gewählten ehrenamtlichen Parlamentes repräsentiert. Dieser Bezeichnung, die freilich nicht in der HGO zu finden ist, folgend, war Dieter Jahn im Jahr 1977 tatsächlich DER (aller)erste Bürger der Gemeinde Mainhausen.
Der folgende Sachverhalt ist eine große Besonderheit - wahrscheinlich sogar Einzigartigkeit - im Lande Hessen. Denn: Dieter Jahn bekleidet genau dieses Amt heute - 47 Jahre später - zum wiederholten Male. Am 24. April 2006 - 32 Jahre nach seiner ersten Wahl und nach 25jähriger Unterbrechung – wurde er erneut mit dem Vertrauen ausgestattet, die Gemeindevertretung souverän und unparteiisch zu führen. Die einstimmige Wiederwahl zu Beginn der laufenden Wahlperiode zeugt genauso von Respekt und Anerkennung aller Fraktionen in der Gemeindevertretung, wie die einstimmige Entscheidung ihn heute zum Ehrenbürger zu ernennen.
Ich gehöre zu einer Generation, die die Gemeindegebietsreform aus den siebziger Jahren nur noch aus Erzählungen kennt. Dass mit dem Zusammenfügen der beiden Ortsteile aber zahlreiche Verwerfungen und Probleme verbunden gewesen sind, liegt auf der Hand. Es ist ein erhebliches Maß an Fingerspitzengefühl und Empathie notwendig, einen solchen Prozess der „Zwangsvereinigung“ zu moderieren. Dass wir heute zwei gleichwertige Ortsteile in einem gesunden Miteinander sowohl auf der politischen als auch auf der bürgerschaftlichen Ebene vorfinden, ist sicher auch ein Verdienst von Dieter Jahn. Um in der Bildsprache zu bleiben, ist es auch Dank Dieter Jahn gelungen, die beiden solitären Siedlungskörper zu „einem Doppelhaus mit schön gestaltetem Vorgarten und fröhlich genutzten Gemeinschaftsräumen“ zusammen zu fügen.
Es mutet nun schon fast wie Fügung an, dass ausgerechnet unter seinem Vorsitz im Jahr 2017 einstimmig von allen Mitgliedern der Gemeindevertretung entschieden wurde, künftig ein gemeinsames Rathaus zu errichten - und 47 Jahre nach der Gebietsreform den Dualismus der Verwaltungsstandorte zu beenden. Und wir alle erwarten den Tag im kommenden Jahr mit Spannung, an dem er gemeinsam mit Bürgermeister Frank Simon das neue entstehende Rathaus direkt nebenan seiner Bestimmung übergeben wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
neben den bedeutenden Aufgaben rund um die Gemeindevertretung engagiert sich Dieter Jahn im Auftrag der Gemeinde seit dem Jahr 1980 ununterbrochen beim Abwasserverband Schleifbach - zunächst in der Verbandsversammlung danach im Vorstand. Seit dem Jahr 2006 ist Dieter Jahn Mitglied der Verbandsversammlung des Sparkassenzweckverbandes Langen-Seligenstadt. Es werden heute noch zwei Gratulanten das Wort an Sie richten, die diese Tätigkeiten gesondert würdigen, deshalb möchte ich es dabei belassen.
Für sein ehrenamtliches Engagement auch in anderen Gremien und im Zusammenhang mit caritativen Tätigkeiten wurde Dieter Jahn im Jahr 1987 der Ehrenbrief des Landes Hessen verliehen. Im Jahr 1999 erhielt Dieter Jahn das Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland und im Jahr 2017 den Verdienstorden des Landes Hessen.
Seine politische Heimat - die SPD - hat Dieter Jahn im Jahr 2002 die Willy-Brandt-Medaille verliehen - ihr Hessischer Generalsekretär vor wenigen Monaten seinen Dank für fünfzig Jahre Tätigkeit als Kassierer des SPD-Ortsvereins ausgesprochen. Flankiert werden diese Ehrungen durch zahlreiche weitere Auszeichnungen im Zusammenhang mit seinem politischen und gesellschaftlichen Wirken als ehrenamtlicher Richter am Arbeitsgericht Offenbach, beim Landessozialgericht Darmstadt und am Landgericht Darmstadt. Und letztlich wurde Dieter Jahn mit der Medaille „Madonna von Stalingrad“ besonderer Dank der Deutschen Kriegsgräberfürsorge für 44 Jahre Geschäftsführertätigkeit zu Teil. Hier schließt sich der Kreis zu seiner tragischen Familiengeschichte.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Dass ihm ein hohes Maß an Respekt und Anerkennung im Laufe seines politischen Lebens zu teil geworden sind, liegt sicher auch an seinen persönlichen Eigenschaften. Ich habe Dieter Jahn als verbindlichen, aufrichtigen Mann kennen gelernt. Einen Menschen, der sich seiner Verantwortung bewusst, mit vollem Elan und in tiefer Überzeugung der ihm übertragenen Aufgaben widmet. Ich kenne niemanden, der mit gleicher Akribie Sitzungsvorbereitungen trifft und der - nun auch in hohem Alter - immer noch höchstes Interesse daran hat, stets auf dem Laufenden zu bleiben. Vielleicht ist es der Ehrgeiz des früheren Leichtathleten und heutigen Konstrukteurs metergroßer Papierschiffmodelle Dieter Jahn, der ihn dabei stets antreibt und der fortwährende Wille zu beweisen, dass man im Leben etwas erreichen kann.
Gleichzeitig aber auch als Menschen mit hoher Empathie, jemanden der den Begriff Ehrgeiz nicht mit Ellenbogen gleichsetzt. Einen Menschen der hinter die Fassade schauen kann und in Krisen die richtigen Worte findet. Und jemanden der Menschen zusammenbringt, Kompromisse vorbereitet und widerstreitende Interessen ausgleichen kann. Der aber auch differenzieren kann, dass „100mal mein Wohl“ noch lange kein Gemeinwohl ist und entsprechend agiert. Einen echten Parlamentspräsidenten eben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich möchte an dieser Stelle aber auch erwähnen, dass mit derart hohem Engagement auch Entbehrungen verbunden sind. Vielleicht nicht in erster Linie für die engagierte Person selbst, aber sehr wohl für die Familie. Liebe Irene, ich denke ein großer Teil dieser Auszeichnung heute gilt deshalb auch Dir und sie gilt auch Euren beiden Kindern Alexandra und Eric, die oft auf ihren Vater verzichten mussten, weil dieser in Sitzungen, Klausurtagungen oder auf Kongressen weilte.
Werte Gäste,
sie werden mit erlauben, dass ich zum Schluss ein paar persönliche Worte an Herr Jahn richte:
Lieber Dieter,
von den rund fünfzig Jahren Deines politischen Weges gehen wir nun fast dreißig Jahre gemeinsam. Du bist mir in dieser Zeit von Anfang ein Mentor gewesen. Ein Lehrer, dem ich viel zu verdanken habe – aber sicher kein Schulmeister, weil Du mir schon zu Beginn stets ohne Vorbehalte auf Augenhöhe begegnet bist.
Wir haben zahlreiche politische Kontroversen miteinander geführt. Und auch einfache Gespräche über das Leben - am liebsten auf Deiner Terrasse - in denen wir auch die privaten Entwicklungen besprochen haben. Gespräche unter Genossen, geleitet von unseren Grundwerten Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität! Gespräche unter Vertrauten, geleitet vom Interesse am Wohlergehen des Gegenüber! Manchmal auch in schwierigen persönlichen Lebenssituationen aber: Am besten bei einem Gerippten Äbbelwoi frisch aus dem Bembel. Du bist mein an Lebensjahren ältester Freund - dafür sage ich Dankeschön!
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
manchmal mutet eine solche Ehrung wie die heutige an, als markiere Sie einen absehbaren Endpunkt einer politischen Laufbahn oder Karriere. Aber ich kann Sie alle beruhigen: schon nach dem Bundesverdienstkreuz hat Dieter Jahn noch 25 Jahre weiter gemacht. Insofern gehe ich davon aus, dass die Ehrenbürgerschaft der Gemeinde Mainhausen Dieter Jahn als Ansporn dienen wird, noch ein paar Jahre zum Wohl der Gemeinde weiterzuarbeiten. Ein Zwischenziel könnte das 50jährige Jubiläum unserer schönen Gemeinde Mainhausen - der Perle vom Untermain - im Jahr 2027 sein. Deshalb schließe ich mit einem Zitat von Barack Obama, verbunden mit dem inständigen Wunsch, dass er sich diesen zu eigen machen wird:
„Die Zukunft gehört denen, die weitermachen. Ich habe keine Zeit, mich selbst zu bemitleiden oder mich zu beschweren. Ich mache einfach weiter.“