Rede des Stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Fraktion in der RVS, Kai Gerfelder, zum Landesentwicklungsplan Hessen, Römer Frankfurt, 09.03.2018
Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
Wir finden heute erneut die Thematik „Dritte Änderung des Landesentwicklungsplanes Hessen auf der Tagesordnung“ Nach der eingehenden Diskussion in der Sitzung der RVS am 30. Juni des vergangenen Jahres über den Gesamtplan, sind wir heute dazu aufgerufen, nur zur Neufassung der Planziffer „5.1.6 Luftverkehr“ Stellung zu beziehen.
Die SPD-Fraktion ist bis zur Sitzung des HPA beziehungsweise der Einreichung der Änderungsanträge der AfD davon ausgegangen, dass es zum Tagesordnungspunkt überhaupt keine Diskussionen geben wird. Wir hatten uns zunächst vorgenommen, nochmals unsere grundsätzliche Kritik am LEP 2017 zu äußern. Auf Grund der eingegangenen AfD-Anträge werden wir aber auch hierzu Stellung beziehen.
Lassen Sie mich daher zu den Anträge 40.6 und 40.6.1 folgende Anmerkungen machen: Der Antrag Drs. IX / 40.6 ist abzulehnen, weil keinerlei Bedarf an einer Änderung besteht. Die Begründung zum AfD-Antrag geht von einem fehlerhaften Verständnis der Planziffer 7.4 aus dem LEP-2000 (ursprüngliche Fassung) aus. Dies wurde bereits im Rahmen der Sitzung des HPA klar. Inzwischen hat die AfD mit einem Änderungsantrag versucht diesen Fehler zu korrigieren. In der nunmehr vorliegenden Fassung mach der Antrag aber genauso wenig Sinn, da er nur fordert, was ohnehin bereits Bestand hat.
Im Kern heißt das: Der in der 1. Änderung zum LEP-2000 enthaltene Grundsatz zur Nachtflugregelung soll nach der jetzt vorgeschlagenen Regelung beibehalten werden. Dieser Grundsatz wurde von der Rechtsprechung zur Bestätigung der im Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau des Frankfurter Flughafens getroffenen Betriebsregelung als Gewichtungsvorgabe („keine planmäßigen Flüge zwischen 23 und 5 Uhr“) herangezogen (BVerwG, Urteil vom 04. April 2012 – 4 C 8/09, u.a.–, BVerwGE 142, 234-394, Rn. 308). Erst durch die 1. Änderung des LEP-2000 im Jahr 2007 wurde dieser Grundsatz aufgenommen und bleibt durch die jetzt vorgesehene Regelung unberührt bestehen.
Wichtig ist, dass nach Ansicht der Gerichte die LEP-Änderung 2007 ist nicht deshalb „unzulässig" war, weil nicht gleichzeitig der sieben Jahre alte LEP 2000 in allen Punkten überarbeitet worden ist. Das geltende Recht enthält keine Vorschrift, welche die Vorgehensweise des Plangebers unzulässig erscheinen ließe. Gleiches gilt deshalb auch für die nunmehr anstehende Dritte Änderung des LEP. Aus diesem Grund ist es auch obsolet zum jetzigen Zeitpunkt den Inhalt des sich selbst korrigierenden Antrags der AfD mit der Drucksachennummer 40.6.1 zu beschließen, da er inhaltlich nichts an den Vorgaben am Grundsatz III.1.G aus dem Jahr 2007 ändert.
Zum AfD-Antrag Drs. IX / 40.7 halten wir fest, dass dieser etwas zu kurz greift. In der von der Koalition formulierten Variante von Drs IX / 40.8 wird ebenfalls eine notwendige Klarstellung getroffen.
Die Regelung zur Einführung einer Lärmobergrenze ist zu begrüßen. Die Begründung zu der Aufnahme des Grundsatzes macht deutlich, dass die Fluglärmbelastung bereits heute zu einer unzumutbaren Belastung für die Bevölkerung führt und zu reduzieren ist. Aus diesem Grund darf es nicht nur zu keiner „wesentlichen“ Ausdehnung der erheblich von Fluglärm betroffenen Fläche kommen, sondern diese muss reduziert werden.
Positiv ist in diesem Zusammenhang die Zielfestlegung der Erstellung eines Lärmminimierungsplanes (5.1.6-5 Z). Zu dem von der Landesregierung veröffentlichen Bündnispapier „Fluglärm gemeinsam begrenzen – Das Mediationsergebnis vollenden: Eine Lärmobergrenze am Flughafen Frankfurt Main“ hat die Fluglärmkommission am 13.12.2017 einen Beschluss gefasst, in dem dieses Bündnispapier als „ein erster wichtiger Schritt zum Erreichen einer verbindlichen Regelung einer Lärmobergrenze“ qualifiziert wurde.
Die Koalitionsfraktionen begrüßen daher die Bemühungen zur Etablierung eines Konzepts für eine Lärmobergrenze. Die nun im „Bündnispapier“ dargelegten Kriterien sind ambitioniert genug, um den Druck zur Lärmminderung zu erhöhen. Demnach soll die durch Festlegung aus 2007 zum Ausbau des Flughafens prognostizierte maximale Lärmbelastung für den Planfall um 1,8 dB(A) unterschritten werden. In der Begründung zu den Planziffern 5.1.6-4 (G) und 5.1.6-5 (Z) der dritten Änderung des LEP wird entsprechend explizit auf das entsprechende Bündnispapier hingewiesen.
Aus den genannten Gründen werden wir auch Antrag Drs. IX /40.7 der AfD ablehnen und den Antrag der Koalitionsfraktionen beschließen.
Für die SPD-Fraktion in der Regionalversammlung möchte ich an dieser Stelle aber auch die Gelegenheit nutzen, unsere grundsätzliche Kritik am Tenor der Dritten Änderung des Landesentwicklungsplanes zu wiederholen. Gleichzeitig möchte ich unsere Enttäuschung zum Ausdruck bringen, dass die zahlreichen Warnungen und Bedenken aus kommunalen Vertretungskörperschaften, Verbänden und Kammern aus der ersten Anhörung offensichtlich willentlich ignoriert werden. Der Plan atmet weiterhin den Geist von Stagnation und Wachstumsbremsen und gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit der Rhein-Main-Region. Auf die zutreffende Bevölkerungsprognose findet der Plan ebenso unzureichende Antworten wie auf das alltägliche Verkehrsdesaster.
Für unsere Planungsregion werden insgesamt 283.000 neue Einwohner prognostiziert. Gleichzeitig wird festgestellt, dass die Bereitstellung von Wohnraum daher weiterhin hohe Priorität in den Wachstumsregionen besitzt und auch die infrastrukturelle Daseinsvorsorge entsprechend gewährleistet sein muss.
Nach wie vor lassen Text, Diktion und Layout des LEP in keinster Weise erkennen, dass die Landesregierung gewillt ist, die damit verbundenen raumordnerischen Probleme Hessens insbesondere des Ballungsraumes zu lösen. Wir sind uns durchaus darüber im Klaren, wie wichtig es ist, dem Gedanken der Nachhaltigkeit in allen Lebens- und Politikbereichen zu folgen. Nachhaltigkeit muss auch ihren Platz in der Entwicklung von Wachstumsregionen finden, aber: In diesem LEP wird der Nachhaltigkeitsgedanke dazu missbraucht, die Entwicklung des Wirtschaftsmotors Rhein-Main - 71 Prozent der Bruttowertschöpfung finden in Südhessen statt - abzuwürgen, um einem fundamentalistisch grün-ideologischen Moralanspruch gerecht zu werden. Bereits vor einem dreiviertel Jahr habe ich hier ausgeführt: Die Moral ist nur die Illusion das Richtige zu tun.
Weiterhin wird auf die starke Zuwanderung in die Ober- und attraktiven Mittelzentren Südhessens mit einer einheitlich für Hessen angeordneten Begrenzung der Flächeninanspruchnahme von 2,5 Hektar pro Tag geantwortet. Um es gleich vorweg zu nehmen: Wir erkennen die Ziele der Bundesregierung, den Flächenverbrauch auf diesen Wert zu reduzieren, vollumfänglich an: Angesichts der stark divergierenden Bevölkerungsprognosen für Hessen kann diese Frage aber nicht mit einem einheitlichen Wert für alle beantwortet werden.
Vielmehr muss die Landesplanung den von ihr selbst benannten Rahmenbedingungen Rechnung tragen, in dem sie die unterschiedlichen Entwicklungstendenzen berücksichtigt und für Südhessen zu Lasten von Mittel- und Nordhessen eine höhere Flächeninanspruchnahme festlegt. Anders ausgedrückt: Der Druck auf Rhein-Main und der daraus resultierende Wohnraumbedarf sowie der Bedarf an Gewerbe und Logistikflächen kann nicht mit Flächenkonversion und Innenentwicklung alleine gemindert werden. Hier wird die soziale und ökonomische Verantwortung gegenüber den -insbesondere sozial schwächeren - Menschen der Region zu Gunsten einer grünen Ideologie in Reinform geopfert.
Der zunehmende Bevölkerungszuwachs hat auch weitreichende Konsequenzen für den gesamten Verkehrssektor: Bereits jetzt erstickt die Rhein-Main-Region im Verkehr. In diesem Bereich bietet der LEP-Entwurf außer den seit Jahrzehnten diskutierten Schienenprojekten keinerlei Antworten auf die drängendsten Probleme. Dem Kapitel Radschnellwege und Fußverkehr wird mehr Platz eingeräumt, als dem Kapitel Individualverkehr. Dabei ist Südhessen die wichtigste Transitregion Europas, Frankfurt die Pendler-Hauptstadt Deutschlands. Sowohl das ÖPNV- als auch das Straßennetz überschreiten täglich ihre Kapazitätsgrenzen. Wer morgens im Stau steht oder auf die S-Bahn wartet, fühlt sich mit dem Slogan „Staufreies Hessen“ nur noch verhöhnt.
Neben die Probleme des Ballungsraumes treten aber auch die Herausforderungen der Peripherie und des ländlichen Raumes. Auch hier gibt es offensichtlich keine Vorstellung, wie eine Stabilisierung gelingen und weiter Entleerungstendenzen zumindest eingedämmt werden können. Es ist leichtfertig und gefährlich anzunehmen, dass in Hessen und insbesondere in der prosperierenden Planungsregion Südhessen ein Ungleichgewichtsszenario unwahrscheinlich sei. Vielmehr muss der Gefahr der Entleerung der Peripherie mit einer entsprechenden Planungskonzeption entgegengewirkt werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
die SPD-Fraktion in der RVS lehnt die grundsätzliche Ausrichtung des LEP weiterhin ab und fordert die Landesregierung erneut auf, insbesondere in den drängenden Handlungsfeldern „Wohnen“ und „Verkehr“ nachzuarbeiten. Wir sind uns auch sicher, dass dies spätestens nach der Landtagswahl im Herbst geschehen wird. Spätestens im Oktober wird der Wiesbadener Burgfrieden des so genannten schwarz-grünen Vorzeigemodells ein Ende haben. Spätestens dann wird Vernunft Einkehr halten und ein Einklang von Ökonomie, Ökologie und sozialen Notwendigkeiten hergestellt – und dies unabhängig davon wer die neue Landesregierung führt. Denn bis auf die Grünen haben alle erkannt, dass es so nicht funktionieren kann.